Konventionalstrafe in Vertraulichkeitserklärung Thread poster: Elvina Tran
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Elvina Tran Germany Local time: 22:02 German to French + ...
Liebe Kollegen, eine Agentur hat mir eine Vertraulichkeitserklärung geschickt, die ich unterschreiben soll. Nichts ungewöhnliches. Bis auf die Höhe der Konventionalstrafe von 10 000 CHF. Natürlich habe ich keinesfalls die Absicht, gegen die Abmachung zu verstoßen, aber diese hohe Summe gibt mir doch zu denken. Ist das gängige Praxis? Natürlich zwingt mich keiner, die Vereinbarung zu unterschreiben, aber mich würde Eure Meinung interessieren. Viele Grüße, Elvina | | |
Ich würde einen mir bekannten Anwalt fragen | May 26, 2008 |
Sehr geehrte Elvina, Ich lebe in Argentinien und meine Reaktion auf Ihre Frage ist deshalb "typisch argentinisch". Wenn mich die Arbeit nicht interessiert, würde ich sie fahren lassen. Aber ich nehme an, dass Sie gerne einen neuen Kunden gewinnen möchten. Die Frage ist: Kann ein Kunde mit bösen Absichten einen Verstoß "erfinden" und die Strafe einziehen, oder kann man, bevor man eine erfundene Konventionalstrafe zahlen muss , sich verteidigen? Haben Sie keinen befre... See more Sehr geehrte Elvina, Ich lebe in Argentinien und meine Reaktion auf Ihre Frage ist deshalb "typisch argentinisch". Wenn mich die Arbeit nicht interessiert, würde ich sie fahren lassen. Aber ich nehme an, dass Sie gerne einen neuen Kunden gewinnen möchten. Die Frage ist: Kann ein Kunde mit bösen Absichten einen Verstoß "erfinden" und die Strafe einziehen, oder kann man, bevor man eine erfundene Konventionalstrafe zahlen muss , sich verteidigen? Haben Sie keinen befreundeten Anwalt der Ihnen da raten kann? Ich habe bisher nur Vertrauenserklärungen unterschrieben in denen keine bestimmte Summe genannt wurde. Mit freundlichen Grüßen. Detlef Aberle [email protected] ▲ Collapse | | |
Hallo Elvina, ich hatte auch einmal so eine Vertragsstrafe in einer Vertraulichkeitserklärung. Habe um eine Änderung gebeten, die wurde abgelehnt. Letztlich wurde nichts aus der Zusammenarbeit. Was aber nicht heißen soll, dass man sowas nicht unterschreiben soll. LG Noe Mein Vorschlag war: Für den Fall eines grob fahrlässigen Vorgehens meinerseits steht Ihnen ja immer der Rechtsweg offen, um Forderungen geltend zu mache... See more Hallo Elvina, ich hatte auch einmal so eine Vertragsstrafe in einer Vertraulichkeitserklärung. Habe um eine Änderung gebeten, die wurde abgelehnt. Letztlich wurde nichts aus der Zusammenarbeit. Was aber nicht heißen soll, dass man sowas nicht unterschreiben soll. LG Noe Mein Vorschlag war: Für den Fall eines grob fahrlässigen Vorgehens meinerseits steht Ihnen ja immer der Rechtsweg offen, um Forderungen geltend zu machen. Ich schlage vor, dies in "von bis zu 5000 Euro" zu ändern.
[Edited at 2008-05-27 07:47] ▲ Collapse | | |
Hallo Elvina, ehrlich gesagt habe ich in meinem naiven Leichtsinn derartige Erklärungen bislang anstandslos unterschrieben, zumal ich keinerlei Absicht habe, meine Kunden durch irgendeine Indiskretion zu vergraulen oder zu schädigen. Wobei ich durchaus verschiedene Klauseln gesehen habe. Manchmal wird Haftung bis zum Auftragswert verlangt, ein anderes Mal eben bewusste Vertragsstrafe in verschiedenen Höhen. Bislang ist es mir in all den Jahren nicht an den Kragen ge... See more Hallo Elvina, ehrlich gesagt habe ich in meinem naiven Leichtsinn derartige Erklärungen bislang anstandslos unterschrieben, zumal ich keinerlei Absicht habe, meine Kunden durch irgendeine Indiskretion zu vergraulen oder zu schädigen. Wobei ich durchaus verschiedene Klauseln gesehen habe. Manchmal wird Haftung bis zum Auftragswert verlangt, ein anderes Mal eben bewusste Vertragsstrafe in verschiedenen Höhen. Bislang ist es mir in all den Jahren nicht an den Kragen gegangen. Was mich allerdings mal interessieren würde: Bei wem liegt eigentlich die Beweislast, wenn mir ein Kunde wirklich einen Verstoß vorwerfen würde? Wer kennt sich aus? Frohes Schaffen! Wolfgang ▲ Collapse | |
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Karin Maack Germany Local time: 22:02 English to German Beweislast? ... wie immer? ...oder wo sonst! | May 28, 2008 |
Ich habe eigentlich nicht viel Ahnung von solchen juristischen Problemen. Aber ich würde sagen, die Beweislast liegt immer bei dem, der die Beschuldigung vorbringt. Wenn mir also jemand etwas vorwirft, was er nicht beweisen kann, dann passiert nichts, oder? | | |
Allesklar Australia Local time: 07:32 English to German + ... ganz so einfach isses nicht | May 29, 2008 |
Im Handelsrecht steht hierbei die "vorbehaltlose Abnahme" im Mittelpunkt. Diese gilt als erfolgt, wenn der Kunde die Übersetzung empfangen hat und nichts an ihr beanstandet. Mängel, die erst später ersichtlich sind (die z.B. wegen mangelnder Sprachkenntnisse nicht gleich festgestellt werden können) sind unverzüglich anzuzeigen. Vor der vorbehaltlosen Abnahme liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Mängelfreiheit beim Übersetzer, nach der vorbehaltlosen Abnahme beim Auft... See more Im Handelsrecht steht hierbei die "vorbehaltlose Abnahme" im Mittelpunkt. Diese gilt als erfolgt, wenn der Kunde die Übersetzung empfangen hat und nichts an ihr beanstandet. Mängel, die erst später ersichtlich sind (die z.B. wegen mangelnder Sprachkenntnisse nicht gleich festgestellt werden können) sind unverzüglich anzuzeigen. Vor der vorbehaltlosen Abnahme liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Mängelfreiheit beim Übersetzer, nach der vorbehaltlosen Abnahme beim Auftraggeber. Hier ist das für den Architektenhonorarprozess ganz gut erklärt, lässt sich aber wohl auch auf unsere Situation übertragen: http://delegibus.com/2006,5.pdf In der Praxis ist es mir einmal vorgekommen, dass der Endkunde meiner Agentur eine meiner Übersetzungen zurückgeschickt hat, die von einem seiner angeblich "zweisprachigen" Mitarbeiter "korrigiert" wurde. Ich habe einfach ein paar Beispiele der gröbsten Fehlkorrekturen mit Erklärungen und Verweisen zum Duden angeführt und damit war die Sache erledigt. Wie das ausgesehen hätte, falls das bis zu einem Gerichtsverfahren eskaliert wäre, weiß ich aber auch nicht. PS Habe jetzt doch noch gemerkt, dass es hier eigentlich um einen Bruch der Vertraulichkeitserklärung geht. Da würde ich auch zustimmen, dass die Beweislast bei dem liegt, der die Vorwürfe erhebt.
[Edited at 2008-05-29 08:54] ▲ Collapse | | |
Nicole Schnell United States Local time: 14:02 English to German + ... In memoriam Finde ich normal und in Ordnung | May 29, 2008 |
In sämtlichen meiner früheren Anstellungsverträge als Art Direktorin bei Werbeagenturen lag die Konventionalstrafe für die Weitergabe oder Veräußerung von internen Informationen zwischen DM 100.000 und 250.000. Ich schicke gerne Kopien. Wer mit Werbetexten und Produktinnovationen zu tun hat, trägt auch Verantwortung. Das betrifft auch Übersetzung. Übersetzungsagenturen, die Werbetexte oder Patente übersetzen lassen, geht es nicht anders. Stell dir vor, ein Übersetzer gibt... See more In sämtlichen meiner früheren Anstellungsverträge als Art Direktorin bei Werbeagenturen lag die Konventionalstrafe für die Weitergabe oder Veräußerung von internen Informationen zwischen DM 100.000 und 250.000. Ich schicke gerne Kopien. Wer mit Werbetexten und Produktinnovationen zu tun hat, trägt auch Verantwortung. Das betrifft auch Übersetzung. Übersetzungsagenturen, die Werbetexte oder Patente übersetzen lassen, geht es nicht anders. Stell dir vor, ein Übersetzer gibt (als kleinen, lockeren Nebenverdienst) Patentinformationen weiter, bevor die übersetzte Fassung im Zielland genehmigt und eingetragen wurde. Als Agentur würde ich mich da auch absichern. Aus unerfindlichen Gründen werden solche Konventionalstrafen bezüglich der Vertraulichkeitserklärung von vielen Übersetzern als Haftstrafe für mangelhafte Übersetzung angesehen. Absoluter, paranoider Quatsch. Wenn ein Übersetzer beispielsweise aber Produktnamen für Adidas eindeutschen soll, jedoch Schwein genug ist, vor Ablieferung der Übersetzung Nike anzurufen oder sich für ein paar Hundert Euro den schicken, neuerfundenen Produktnamen selbst eintragen zu lassen, dann verdient eine solche Person als vertraglicher Dienstleister nicht besser. Den Menschen, der sich den Namen "E-Klasse" gesichert und sich dann von einem gewissen Automobilhersteller hat abfinden und verwöhnen lassen, kenne ich persönlich. Nochmals: Solche Konventionalstrafen haben nichts mit irgendwelchen Übersetzungsfehlern zu tun, sondern nur mit der böswilligen und eigennützigen Absicht, interne Informationen zum eigenen Zweck zu verkaufen. ▲ Collapse | | |
Richard Schneider (X) Germany English to German + ... Konkretes Beispiel | May 29, 2008 |
Stell dir vor, ein Übersetzer gibt (als kleinen, lockeren Nebenverdienst) Patentinformationen weiter (...) böswilligen und eigennützigen Absicht, interne Informationen zum eigenen Zweck zu verkaufen. Bekanntestes Beispiel dafür ist wohl die U-Boot-Affäre, bei der 2003 eine Übersetzerin (damals ProZ-Mitglied) die technischen Handbücher eines in Deutschland entwickelten U-Boots für 100 000 US-Dollar an die Chinesen zu verkaufen versuchte. Sie wurde vom Geheimdienst überführt und 2004 in Deutschland verhaftet. Welche Strafe in der Gerichtsverhandlung letztendlich verhängt wurde, weiß ich nicht (die Öffentlichkeit war ausgeschlossen). Allzu lange kann sie aber nicht gesessen haben, zumindest seit 2007 ist sie wieder als Übersetzerin tätig. Grund für die Verzweiflungstat waren offenbar Geldnöte. Das Übersetzungsbüro, das ihr den umfangreichen Auftrag vermittelt hatte, wollte nicht bezahlen. Die Übersetzerin hatte ihrerseits aber bereits mehrere freie Mitarbeiter angeheuert, um die Übersetzung bewältigen zu können. | |
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Wenjer Leuschel (X) Taiwan Local time: 05:02 English to Chinese + ... Interessant! | May 29, 2008 |
So was kann schon passieren. Also, doch lieber mit Vertraulichkeitserklärung zu arbeiten. Konventionalstrafe ist ja nur zum Abschrecken von Verstössen. Wenn man nichts in der Hinsicht verstießt, kommt auch keine Verfolgung. Richard Schneider wrote: Stell dir vor, ein Übersetzer gibt (als kleinen, lockeren Nebenverdienst) Patentinformationen weiter (...) böswilligen und eigennützigen Absicht, interne Informationen zum eigenen Zweck zu verkaufen. Bekanntestes Beispiel dafür ist wohl die U-Boot-Affäre, bei der 2003 eine Übersetzerin (damals ProZ-Mitglied) die technischen Handbücher eines in Deutschland entwickelten U-Boots für 100 000 US-Dollar an die Chinesen zu verkaufen versuchte. Sie wurde vom Geheimdienst überführt und 2004 in Deutschland verhaftet. Welche Strafe in der Gerichtsverhandlung letztendlich verhängt wurde, weiß ich nicht (die Öffentlichkeit war ausgeschlossen). Allzu lange kann sie aber nicht gesessen haben, zumindest seit 2007 ist sie wieder als Übersetzerin tätig. Grund für die Verzweiflungstat waren offenbar Geldnöte. Das Übersetzungsbüro, das ihr den umfangreichen Auftrag vermittelt hatte, wollte nicht bezahlen. Die Übersetzerin hatte ihrerseits aber bereits mehrere freie Mitarbeiter angeheuert, um die Übersetzung bewältigen zu können. | | |
U-Boot-Affäre | Jun 4, 2008 |
Richard Schneider wrote: Allzu lange kann sie aber nicht gesessen haben, zumindest seit 2007 ist sie wieder als Übersetzerin tätig. 1 Jahr auf Bewährung, weiß Google. | | |
Nadine Kahn Germany Local time: 22:02 English to German + ... Wie weit kann man gehen? | Jun 4, 2008 |
In viele Verträge (unabhängig von der Übersetzertätigkeit) werden Vertraulichkeitserklärungen integriert, wenn sensible Daten im Spiel sind. Allerdings habe ich mich auch schon des Öfteren gefragt, wie weit man gehen kann, wenn explizit nichts beschrieben wurde. Dürfen dann überhaupt noch Fragen bei ProZ eingestellt werden mit Sätzen aus diesen Dokumenten und reicht es, wenn man Produktnamen etc. unkenntlich macht? Schönen Mittwoch allerseits! | | |