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Leaders / Führer /Politische Korrektheit und die Freiheit der Übersetzer
Thread poster: Geneviève von Levetzow
Geneviève von Levetzow
Geneviève von Levetzow  Identity Verified
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Sep 15, 2002

http://www.proz.com/kudoz/271510



Da ich die Reaktionen der Kollegen mit Erstaunen festgestellt habe, möchte ich hier prinzipiell die Frage stellen, wie Ihr unsere Freiheit als Übersetzer hinsichtlich der politischen Korrektheit empfindet.

Ich war sehr erstaunt über die Häufung von disagrees unter meiner Übersetzung. Und nicht weil sie falsch war, sondern weil viele sie als politisch
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http://www.proz.com/kudoz/271510



Da ich die Reaktionen der Kollegen mit Erstaunen festgestellt habe, möchte ich hier prinzipiell die Frage stellen, wie Ihr unsere Freiheit als Übersetzer hinsichtlich der politischen Korrektheit empfindet.

Ich war sehr erstaunt über die Häufung von disagrees unter meiner Übersetzung. Und nicht weil sie falsch war, sondern weil viele sie als politisch nicht korrekt empfanden, da das Wort \"Führer\" im Deutschen anscheinend immer noch tabuisiert ist.

Vor Monaten habe ich solche Reaktionen erlebt, als ich mir erlaubt hatte, eine in meinen Augen in unserer westlichen Welt nicht unmoralische Frage (I want to have sex with you) zu übersetzen.

Damit wir uns richtig verstehen, mir geht es wirklich nicht um die disagrees unter meiner Antwort. Sondern viel mehr darum, müssen wir uns von solchen politischen Überlegungen bei unserer täglichen Arbeit leiten lassen oder nicht.

Merkwüdigerweise hatte ich letzte Woche den Ausdruck \"Führer auf dem Gebiet der Technologie XXX\" in einem dt. Text, den ich ins Fr. übersetzen sollte. Mir ist das Tabu-Wort nicht mal aufgefallen.

Es ist eine prinzipielle Frage, ich fände es schön, wenn jeder versuchte, darauf nach besten Wissen und Gewissen zu antworten; das Thema scheint anscheinend immer noch hochbrisant zu sein, deswegen wären sachliche Argumente zweckdienlich. Ich hoffe damit, nicht eine Lawine von Emotionen in Gang zu setzen.

Mein Standpunkt ist der der absoluten Neutralität, sprich, ich versuche, einen Text so genau wie möglich zu übersetzen, und will mich dabei weder von politischen noch von moralischen Gedanken leiten lassen (und da meine hochtechnischen Texte per se nicht amoralisch sind, stellt sich mir nie die Frage, ob ich eine Arbeit annehmen sollte oder nicht; was in anderen Fällen vielleicht ein Aspekt wäre).
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Ulrike Lieder (X)
Ulrike Lieder (X)  Identity Verified
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In memoriam
Warum historisch/politisch belastete Termini verwenden, wenn es gute Alternativen gibt Sep 15, 2002

Manchmal lässt sich das Wort \"Führer\" nicht vermeiden. Aber ich finde es wenig sinnvoll, historisch/politisch belastete Termini zu verwenden, wenn es (wie in diesem Beispiel) gute Alternativen gibt. Man sollte ein gewisses Fingerspitzengefühl durchaus walten lassen, das hat absolut nichts mit \"Freiheit der Übersetzer\" zu tun. Gewisse Termini sollte man, auch (oder vielleicht gerade) als Übersetzer, meiden, wenn es denn möglich ist -- Sie können ja überhaupt nicht voraussehen, wie das... See more
Manchmal lässt sich das Wort \"Führer\" nicht vermeiden. Aber ich finde es wenig sinnvoll, historisch/politisch belastete Termini zu verwenden, wenn es (wie in diesem Beispiel) gute Alternativen gibt. Man sollte ein gewisses Fingerspitzengefühl durchaus walten lassen, das hat absolut nichts mit \"Freiheit der Übersetzer\" zu tun. Gewisse Termini sollte man, auch (oder vielleicht gerade) als Übersetzer, meiden, wenn es denn möglich ist -- Sie können ja überhaupt nicht voraussehen, wie das Zielpublikum reagieren wird. (Wenn Sie überhaupt wissen, wer das Zielpublikum ist.)



Meines Erachtens ist, um bei diesem Beispiel zu bleiben, eine leichte Umformulierung wie \"führend auf diesem Gebiet\" stilistisch besser, wenn nicht sogar aussagekräftiger. Und historische Altlasten werden vermieden. Das, meine ich, wollten die Kollegen mit ihren \"disagrees\" zum Ausdruck bringen.



Jede Sprache hat tabuisierte Wörter (ich denke z.B. an \"nigger\" im AE), und ein guter Übersetzer sollte, so finde ich jedenfalls, versuchen, solche belasteten Wörter nach Möglichkeit zu meiden, insbesondere dann, wenn gute Alternativen verfügbar sind. (Wenn es um die Pointe eines Witzes geht, dann ist es eine andere Sache, aber das war ja hier ganz klar nicht der Fall.)



Ich muss auch sagen, dass das von Ihnen zitierte Beispiel, \"Führer auf dem Gebiet der Technologie XXX\", sich eher wie eine etwas missratene Übersetzung anhört, auf jeden Fall ist es keine besonders idiomatische Wendung. Das aber nur ganz nebenbei.



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Hans-Henning Judek
Hans-Henning Judek  Identity Verified
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Auch nach 57 Jahren noch ein gewisser Müff... Sep 16, 2002

Ja, es ist wahr, das so handliche Wort \"Führer\" (Reiseführer, Lokomotivführer...) hat wegen Adolf leider immer noch einen gewissen Stallgeruch, obwohl ich es eignetlich inzwischen albern finde. Man stelle sich einmal vor, man wollte die Wörter \"leader\" oder \"guide\" aus dem englischen Wortschatz streichen.



Ich versuche daher meistens, diesen Begriff möglichst elegant zu umschiffen. Am liebsten ist mir dabei die \"führende Stellung\" (z.B.eines Unternehmens). Tabu
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Ja, es ist wahr, das so handliche Wort \"Führer\" (Reiseführer, Lokomotivführer...) hat wegen Adolf leider immer noch einen gewissen Stallgeruch, obwohl ich es eignetlich inzwischen albern finde. Man stelle sich einmal vor, man wollte die Wörter \"leader\" oder \"guide\" aus dem englischen Wortschatz streichen.



Ich versuche daher meistens, diesen Begriff möglichst elegant zu umschiffen. Am liebsten ist mir dabei die \"führende Stellung\" (z.B.eines Unternehmens). Tabu ist der \"Führer\" mit Sicherheit bei allen politischen Texten
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Lydia Molea
Lydia Molea  Identity Verified
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Generell stimme ich Ulrike zu Sep 16, 2002

Es ist nun mal so, dass viele immer noch an Hitler denken, wenn sie Führer hören, es hat sich ja sogar in anderen Sprachen eingebürgert. Das Wort ist nunmal belegt, das hat nichts mit unserer Stilfreiheit zu tun.

Schöne Grüße

Lydia


 
Ralf Lemster
Ralf Lemster  Identity Verified
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Freiheit vs. Pragmatismus Sep 16, 2002

Grundsätzlich finde ich die \"PC\"-Diskussion oftmals auch ziemlich anstrengend. Dessen ungeachtet ist es aber eine Tatsache, dass der Begriff \"Führer\" historisch belastet ist. Und wenn\'s eine gute alternative Formulierung gibt, braucht man sich den Stress nicht zu geben, denke ich.

 
Uwe Kirmse
Uwe Kirmse  Identity Verified
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zwei verschiedene Fragen Sep 16, 2002

Ich denke, Geneviève wirft hier zwei verschiedene Fragen auf, erstens die Frage nach \"political correctness\" (übersetze ich bewusst nicht) und zum anderen nach der möglichst getreuen Übersetzung, auch wenn sich beides überschneidet.

Nun ist zwar \"Führer\" im Gegensatz zu \"Zigeuner\" und \"Krüppel\" kein typisches Beispiel für political correctness (\"nigger\" übrigens auch nicht, da das Wort schon ziemlich als Schimpfwort bel
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Ich denke, Geneviève wirft hier zwei verschiedene Fragen auf, erstens die Frage nach \"political correctness\" (übersetze ich bewusst nicht) und zum anderen nach der möglichst getreuen Übersetzung, auch wenn sich beides überschneidet.

Nun ist zwar \"Führer\" im Gegensatz zu \"Zigeuner\" und \"Krüppel\" kein typisches Beispiel für political correctness (\"nigger\" übrigens auch nicht, da das Wort schon ziemlich als Schimpfwort belastet ist), aber gewisse Analogien sind schon vorhanden. Der Unterschied besteht vor allem darin, dass \"Führer\" nur im Deutschen belastet ist, in manchen anderen Sprachen sagt man sogar \"Führer\", wenn es um Hitler geht, wogegen die ursprüngliche Bedeutung des Wortes durch andere Begriffe (z.B. im Engl. \"leader\") abgedeckt wird. Leider ist der Führerkult um Hitler in Deutschland nie ganz verschwunden und hat auch heute noch mehr oder weniger offene Anhänger. Somit würde ich nicht sagen, es ist ja soundsoviel Jahre her und würde das Wort vermeiden. Bei der Übersetzung sollte man dann schon überlegen, ob diese Firma, wenn sie aus Deutschland wäre, sich in einem deutschen Text als \"Führer auf dem Gebiet der Technologie XXX\" bezeichnen würde. Vermutlich würden die Verfasser, ohne das Wort \"Führer\" auch nur zu erwägen, ausweichen auf \"das führende Unternehmen\" oder in anderem Zusammenhang \"Marktführer\". Und hier überschneiden sich die zwei Fragen dann tatsächlich - es ist nicht nur eine Frage von \"political correctness\", das Wort zu vermeiden, die Übersetzung erhält auch einen anderen Klang und geht ein wenig an dem vorbei, was im ursprünglichen Text stand. Andereseits bin ich selbst ein entschiedener Gegner der \"political correctness\". Ich halte es da eher mit Schäuble, der sich selbst öffentlich einen Krüppel genannt hat, oder mit dem Zigeuner, der in einer Unterhaltung mit mir das Wort \"Zigeuner\" völlig zwanglos gebraucht hat. (Man stelle sich nur den politisch korrekten Satz für \"Da stehen zehn Zigeuner.\" vor. - \"Da stehen zehn Sinti und Roma oder Sinti oder Roma.\")



Das andere ist die Frage der absoluten \"Neutralität, sprich, ich versuche, einen Text so genau wie möglich zu übersetzen\" (Zitat G.v.L.). Als These ist das auf jeden Fall richtig, zur konkreten Umsetzung habe ich schon im Fall \"Führer\" etwas geschrieben. Wort für Wort ist nicht immer so genau wie möglich. Der gesamte Sinn und Stil des Ausgangstextes sollte erhalten bleiben. Ist dieser politisch extrem korrekt, werde ich auch als Gegner der correctness die entsprechenden Ausdrücke gebrauchen. Wenn aber im Ausgangstext der entsprechende Ausdruck für Zigeuner steht, werde ich es so übersetzen und den Satz nicht wie oben gezeigt ummodeln. In die Übersetzung sollte man auf keinen Fall eigene Überzeugungen einfließen lassen. Aus einer neonazistischen Hetzschrift einen politisch korrekten Text zu machen, dürfte nicht nur schwer werden, sondern den Sinn entstellen. Eine andere Frage ist es, dass ich solche Übersetzungen ablehnen würde, es sei denn, Auftraggeber ist die Staatsanwaltschaft.



Also Fazit: exakt aber nicht wörtlich übersetzen und eigene Moralvorstellungen außen vor lassen, wenn man den Auftrag einmal angenommen hat.


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Hans G. Liepert
Hans G. Liepert  Identity Verified
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In memoriam
Und was ist mit Marktführer, Spielführer usw.? Alle belastet? Sep 16, 2002

[quote]

On 2002-09-15 23:59, uel wrote:

Manchmal lässt sich das Wort \"Führer\" nicht vermeiden. Aber ich finde es wenig sinnvoll, historisch/politisch belastete Termini zu verwenden, wenn es (wie in diesem Beispiel) gute Alternativen gibt.


 
Hans G. Liepert
Hans G. Liepert  Identity Verified
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In memoriam
political correctnes Sep 16, 2002

So ganz lehnst Du sie aber doch nicht ab, oder? Nazistische Schmähschriften willst Du nicht übersetzen (kommunistische, liberale, baskische, christlich-soziale schon?). Wer entscheidet, was ein Pamphlet ist? Du? Dein politischer Gegner? Die berühmte schweigende Mehrheit (davon x% für den Führer)?

Übersetzen ist eine völlig neutrale Tätigkeit und Ulrike hat Recht, wenn sie sich hier nicht vorschreiben läßt, welche belasteten oder unbelasteten Wörter sie verwendet. Über die Q
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So ganz lehnst Du sie aber doch nicht ab, oder? Nazistische Schmähschriften willst Du nicht übersetzen (kommunistische, liberale, baskische, christlich-soziale schon?). Wer entscheidet, was ein Pamphlet ist? Du? Dein politischer Gegner? Die berühmte schweigende Mehrheit (davon x% für den Führer)?

Übersetzen ist eine völlig neutrale Tätigkeit und Ulrike hat Recht, wenn sie sich hier nicht vorschreiben läßt, welche belasteten oder unbelasteten Wörter sie verwendet. Über die Qualität der Übersetzung in diesem Fall lässt sich streiten, nicht über die Freiheit der Übersetzerin, so und nicht anders zu übersetzen.
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Ralf Lemster
Ralf Lemster  Identity Verified
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Vorsicht... Sep 16, 2002

...besonders bei dieser Thematik sind Schlussfolgerungen mitunter brisant.

Quote:


On 2002-09-16 08:23, HGL wrote:

So ganz lehnst Du sie aber doch nicht ab, oder? Nazistische Schmähschriften willst Du nicht übersetzen (kommunistische, liberale, baskische, christlich-soziale schon?).


Ich denke, Uwes Kommentar bezog sich aus dem Kontext heraus auf Neonazi-Material.


 
Klaus Herrmann
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Hat das wirklich mit Freiheit zu tun? Sep 16, 2002

Als ich das Argument mit dem Unternehmen aus dem Bereich Navigation gelesen habe, war ich erstaunt, daß es deutsche Unternehmen gibt, die derart unsensibel sind. Das Wort ist belastet und wird es auch bleiben, solange es in Deutschland Strömungen gibt, die verhindern, daß sich das Mäntelchen der Geschichte über dieses Wort senkt.



Sicher, eine Übersetzung soll genau sein, aber die Genauigkeit liegt nicht in den Worten, sondern im Sinn. Und der läßt sich mit weniger a
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Als ich das Argument mit dem Unternehmen aus dem Bereich Navigation gelesen habe, war ich erstaunt, daß es deutsche Unternehmen gibt, die derart unsensibel sind. Das Wort ist belastet und wird es auch bleiben, solange es in Deutschland Strömungen gibt, die verhindern, daß sich das Mäntelchen der Geschichte über dieses Wort senkt.



Sicher, eine Übersetzung soll genau sein, aber die Genauigkeit liegt nicht in den Worten, sondern im Sinn. Und der läßt sich mit weniger anstößigen Formulierungen ohne jeden Verlust an Genauigkeit wiedergeben.



Ich kann auch nicht sehen, wo da der Maulkorb oder eine Einschränkung der Meinungsfreiheit liegt. Die Frage ist eigentlich eher, ob man dieses Wort wieder salonfähig machen sollte. Vermutlich würde niemand von uns auf den Gedanken kommen, seinen Sohn Adolf zu nennen. Ist das eine Einschränkung der Meinungsfreiheit?



Letzlich läuft das für mich auf die politische (und, wenn ich mich an die Regeln für diese Forum korrekt erinnere, hier nicht zu führende) Debatte hinaus, ob denn jetzt nicht mal Schluss mit dem kollektiven schlechten Gewissen sein muß. Diese Frage muß jeder für sich entscheiden, darf sich dann aber nicht wundern, wenn Andere diese Frage für sich anders beantworten und dementsprechend reagieren. Wobei ich das völlig neutral meine - es ist eben eine persönliche Entscheidung.

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Uwe Kirmse
Uwe Kirmse  Identity Verified
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Was soll denn das? Sep 16, 2002

Quote:


On 2002-09-16 08:23, HGL wrote:

So ganz lehnst Du sie aber doch nicht ab, oder? Nazistische Schmähschriften willst Du nicht übersetzen (kommunistische, liberale, baskische, christlich-soziale schon?).


Polemik um der Polemik willen? Befasse dich einmal mit einfacher Logik. Die Aussage, dass ich XXX ablehne, lässt nicht den Schluss zu, dass ich ZZ
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Quote:


On 2002-09-16 08:23, HGL wrote:

So ganz lehnst Du sie aber doch nicht ab, oder? Nazistische Schmähschriften willst Du nicht übersetzen (kommunistische, liberale, baskische, christlich-soziale schon?).


Polemik um der Polemik willen? Befasse dich einmal mit einfacher Logik. Die Aussage, dass ich XXX ablehne, lässt nicht den Schluss zu, dass ich ZZZ und YYY nicht ablehne. Ein Beispiel bleibt eben nur ein Beispiel.



Quote:
Wer entscheidet, was ein Pamphlet ist? Du? Dein politischer Gegner? Die berühmte schweigende Mehrheit (davon x% für den Führer)?
Was ich ablehne, entscheide eindeutig ich. Es mag Kriterien geben, die als Entscheidungshilfe dienen (z.B. das Strafgesetzbuch, da ich durch meine Übersetzung keine Straftaten fördern möchte), aber nur ich entscheide und übrigens nicht darüber, was ein Pamphlet ist, sondern darüber, ob ich es mache oder nicht.



Quote:
Übersetzen ist eine völlig neutrale Tätigkeit und Ulrike hat Recht, wenn sie sich hier nicht vorschreiben läßt, welche belasteten oder unbelasteten Wörter sie verwendet. Über die Qualität der Übersetzung in diesem Fall lässt sich streiten, nicht über die Freiheit der Übersetzerin, so und nicht anders zu übersetzen.

1. Es ist auch Freiheit des Übersetzers, einen Auftrag abzulehnen.

2. Es ist nicht Freiheit des Übersetzers, ein Ergebnis vorzulegen, das dem Ausgangstext nicht entspricht. Wo Führer stehen muss, da soll es stehen, aber in dem Zusammenhang wie bei G.v.L. ist das Wort im Deutschen nicht üblich und lässt sich nicht damit begründen, dass es die wörtliche Übersetzung ist.


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OlafK
OlafK
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Was ist eine genaue Übersetzung? Sep 16, 2002

Wenn man unbedacht ein Tabuwort in einen Marketing-Text einbringt, wird damit der Sinn verzerrt. Auch wenn es sich um eine wörtliche Übersetzung handelt, ist sie nicht genau oder korrekt.

Man kann auch nicht im Alleingang ein Wort enttabuisieren. Warum auch, wenn es anders geht? Wenn der Kunde die Übersetzung sieht, stößt er sich vielleicht an dem Wort \"Führer\", selbst wenn er kein Deutsch versteht, da das Wort Eingang in viele Sprachen gefunden hat.

Es gibt eine ganz
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Wenn man unbedacht ein Tabuwort in einen Marketing-Text einbringt, wird damit der Sinn verzerrt. Auch wenn es sich um eine wörtliche Übersetzung handelt, ist sie nicht genau oder korrekt.

Man kann auch nicht im Alleingang ein Wort enttabuisieren. Warum auch, wenn es anders geht? Wenn der Kunde die Übersetzung sieht, stößt er sich vielleicht an dem Wort \"Führer\", selbst wenn er kein Deutsch versteht, da das Wort Eingang in viele Sprachen gefunden hat.

Es gibt eine ganze Reihe von Wörten, die seit der Nazizeit mit einem Tabu belegt sind. Im Englischen kann man z.B. von \"mixed race marriages\" sprechen, ohne sich viel dabei zu denken. Eine wörtliche Übersetzung wäre katastrophal, selbst eine \"Mischehe\" geht m.E. nicht. Wer ins Deutsche übersetzt, muss die besonderen Gegebenheiten der Zielsprache berücksichtigen, um eine gute Arbeit abzuliefern. Das hat mit PC nichts zu tun, sondern mit Sprachgefühl und, wie schon jemand sagte, Pragmatismus.

Komposita wie \"Reiseführer\" sind deshalb nicht negativ belegt, weil ein Muttersprachler das Wort als Ganzes aufnimmt und die Bestandteile übersieht. Leute, die Deutsch als Fremdprache lernen, finden z.B. \"Brustwarzen\" fies und \"Handschuhe\" lustig. Bei Muttersprachlern erzeugen diese Wörter andere Bilder als bei Deutschschülern. Aber das Wort \"Führer\" erzeugt weltweit nur ein Bild, das eines Mannes mit einem kleinen Schnäuzer, deshalb ist es als Übersetzung für \"leader\" auch falsch.
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TService (X)
TService (X)  Identity Verified
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Die Zielgruppe / der Kunde entscheidet. Sep 17, 2002

Erst gestern hatte ich so einen \"Fall\": In einer englischen Verkaufsbroschüre fand sich die Überschrift \"Leaders chose leaders\".

Ich habe mir mit \"Führungspersönlichkeiten wählen Führungspersönlichkeiten\" aus der Klemme geholfen.

Dabei stand eine einzige Überlegung im Vordergrund: Was will der Kunde mit seiner Broschüre erreichen, und was sollte ich übersetzen, um diesem Ziel zu entsprechen ?



Übersetze ich \"Führer\", so muss ich damit r
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Erst gestern hatte ich so einen \"Fall\": In einer englischen Verkaufsbroschüre fand sich die Überschrift \"Leaders chose leaders\".

Ich habe mir mit \"Führungspersönlichkeiten wählen Führungspersönlichkeiten\" aus der Klemme geholfen.

Dabei stand eine einzige Überlegung im Vordergrund: Was will der Kunde mit seiner Broschüre erreichen, und was sollte ich übersetzen, um diesem Ziel zu entsprechen ?



Übersetze ich \"Führer\", so muss ich damit rechnen, dass die Broschüre negativ ankommt, so exakt die Übersetzung auch wäre. Und damit wäre dem Kunden - und langfristig auch mir selbst - nicht gedient.



Mich stört es ziemlich, dass bestimmte Wörter mittlerweile - teils durch Unkenntnis - einen gewissen Schimpfwortcharakter angenommen haben. Als Beispiele nenne ich nur \"Itaka\" (\"ITAlienischer KAmerad\"), \"Kanake\" (\"Mensch\"), \"Neger\" (\"Schwarzer\"), \"Polak\" (\"Pole\").

Wie ich diese Wörter privat einsetze, ist meine Sache.

Aber sobald ich eine kleine Verantwortung für Erfolg oder Nichterfolg einer Übersetzung zu tragen habe, sehe ich zu, dass meine Übersetzung sowohl dem Original als auch der Intention des Kunden entspricht.



Dann passt\'s meistens.
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Herbert Fipke
Herbert Fipke  Identity Verified
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Leaders choose leaders Sep 17, 2002

Hallo TService,

mir wäre Deine Wahl (Führungspersönlichkeiten) für eine Verkaufsbroschüre viel zu sperrig, obwohl sie natürlich korrekt ist.

In solchen Fällen regt sich in mir immer der PR-Berater, der schon zahllose Broschüren getextet hat.



Ich wäre ganz vom Original weggegangen (PR-Berater dürfen das )

und hätte (vorausgesetzt, es handelt sich um den Prospekt einer Premiummarke) sowas
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Hallo TService,

mir wäre Deine Wahl (Führungspersönlichkeiten) für eine Verkaufsbroschüre viel zu sperrig, obwohl sie natürlich korrekt ist.

In solchen Fällen regt sich in mir immer der PR-Berater, der schon zahllose Broschüren getextet hat.



Ich wäre ganz vom Original weggegangen (PR-Berater dürfen das )

und hätte (vorausgesetzt, es handelt sich um den Prospekt einer Premiummarke) sowas getextet wie:

\"Chefs nehmen nur das Beste\"



Durch meine PR-Ausbildung bin ich allerdings für alle Zeiten als klassischer Übersetzer (wie man das an den Unis lernt) verloren. Das Original spielt für mich bei Marketingtexten nur die Rolle einer Inhalts- und Intentionsvorlage, die ich im Bereich Marketing meist völlig losgelöst vom \"wording\" des Originals in der Zielsprache - und zwar streng nach der Absicht des Verfassers und den Anforderungen der Zielgruppe - neu erschaffe.

Bei technischen Texten ist das natütlich etwas Anderes.



Natürlich muss ein Text IMMER korrekt übersetzt werden. Es fragt sich nur, welche Kriterien man für wichtiger hält. Bei mir kommt jedenfalls stets die angesprochene Zielgruppe zuerst, dann die Absicht des Verfassers und zum Schluß - ganz weit hinten - der exakte Wortlaut des Originals. Insofern muss ich auch meist garnicht jedes einzelne Wort eines Textes mit allen Kontextnuancen verstehen (was ohnehin niemand kann). Was ich aber immer wissen muss, ist: Wer soll das lesen und was beabsichtigt der Verfasser mit dem Text?



Übersetzer sind eben keine Texter. Vielleicht werden Texter auch deshalb besser bezahlt...

Für das Erstellen von PR-Texten sind jedenfalls 100 Euro pro DIN A4-Seite schon eher die untere Grenze. Ist das Original ein englischer Text, macht das für mich auch keinen Unterschied und wird auch nicht berechnet.



ACHTUNG! Stilistische Macken und Rechtschreibfehler sind zur allgemeinen Belustigung in diesen Text eingefügt. Wer einen Fehler findet, darf ihn behalten!



Kollegialer Gruss aus dem Rheinland
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Klaus Herrmann
Klaus Herrmann  Identity Verified
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Guter Punkt, Herbert Sep 18, 2002

Quote:


On 2002-09-17 18:53, Fipke wrote:

Das Original spielt für mich bei Marketingtexten nur die Rolle einer Inhalts- und Intentionsvorlage, die ich im Bereich Marketing meist völlig losgelöst vom \"wording\" des Originals in der Zielsprache - und zwar streng nach der Absicht des Verfassers und den Anforderungen der Zielgruppe - neu erschaffe.





Intentionsvorlage - das ist gen... See more
Quote:


On 2002-09-17 18:53, Fipke wrote:

Das Original spielt für mich bei Marketingtexten nur die Rolle einer Inhalts- und Intentionsvorlage, die ich im Bereich Marketing meist völlig losgelöst vom \"wording\" des Originals in der Zielsprache - und zwar streng nach der Absicht des Verfassers und den Anforderungen der Zielgruppe - neu erschaffe.





Intentionsvorlage - das ist genau des Pudels Kern. Das Wort muss ich mir merken. ▲ Collapse


 
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