Schutz des Berufsstandes und Unterstützung durch Politiker Thread poster: Intrprtintrain
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Guten Abend, ich schreibe gerade an meiner Bachelorarbeit (über jugendliche unausgebildete Laiendolmetscher) und das größte Problem ist laut Aussage vieler, dass der Berufsstand der Übersetzer und Dolmetscher nicht geschützt ist, sodass es immer "Schlupflöcher" für unausgebildete Leute den Job von Profis zu machen. Warum setzt sich denn die Politik nicht ein und tut was dagegen? Wo gerade Politiker einsehen müssen, wie wichtig eine gute Verdolmetschung/Überset... See more Guten Abend, ich schreibe gerade an meiner Bachelorarbeit (über jugendliche unausgebildete Laiendolmetscher) und das größte Problem ist laut Aussage vieler, dass der Berufsstand der Übersetzer und Dolmetscher nicht geschützt ist, sodass es immer "Schlupflöcher" für unausgebildete Leute den Job von Profis zu machen. Warum setzt sich denn die Politik nicht ein und tut was dagegen? Wo gerade Politiker einsehen müssen, wie wichtig eine gute Verdolmetschung/Übersetzung ist? (These (bei Behörden): Integration = ausreichende Deutschkenntnisse, sodass kein Dolmetscher benötigt wird. (?)) Ich hab leider keine Literatur oder Internetquellen gefunden, warum das so ist. Nur dass es so ist. Über Hilfe oder auch nur Meinungen zu dem Thema wäre ich sehr dankbar. Mit freundlichen Grüßen, Intrintrain
[Edited at 2013-12-26 08:35 GMT] ▲ Collapse | | |
Rolf Keller Germany Local time: 01:07 English to German Die jahrzehntealte Frage nach der Qualifikation | Dec 26, 2013 |
Intrprtintrain wrote: Guten Abend Warum liest man so etwas immer wieder in Foren oder E-Mails? Obwohl der Text oft Stunden oder Tage nach dem Abschicken gelesen wird, von unterschiedlichen Zeitzonen gar nicht zu reden? (bei Behörden): Integration = ausreichende Deutschkenntnisse, sodass kein Dolmetscher benötigt wird. (?)) Ob diese These weithin vertreten wird, weiß ich nicht. Was ich aber weiß, ist, dass auch der beste Dolmetscher wenig nützt, wenn die Ausländer, für die er dolmetscht, nicht genügend Grundwissen haben. Und von denen gibt es viele: Für die ist z. B. "Mietvertrag" einfach ein Zettel, und "Antrag auf Arbeitslosengeld" ist ein anderer Zettel. Beide Zettel gibt es in Büros, wo Leute an Computern sitzen, unsichtbare Arbeit machen und merkwürdige Wörter wie z. B. "Leistungssperre" sagen, die nicht im Wörterbuch stehen. Ein Dolmetscher ist aber kein Lebens- und erst recht kein Rechtsberater (als Letzteres darf er in D auch nur sehr begrenzt agieren). Wenn ich plötzlich in China leben müsste, würde es mir wahrscheinlich ähnlich gehen, ich hätte keinerlei Grundwissen über Kultur und Staatswesen und könnte mir das nur schwer erwerben. Warum setzt sich denn die Politik nicht ein und tut was dagegen? Die allgemeine Tendenz geht weltweit zu mehr Freiheit in jeder Richtung. Auf Deutsch: Der Staat soll möglichst wenig Zwänge ausüben. In D z. B. ist der Meisterzwang gelockert worden und man will es Inhabern ausländischer Zeugnisse noch mehr erleichtern, in D zu arbeiten. Vor diesem Hintergrund ist nicht anzunehmen, dass die aktuelle Politik mehr Qualifikationsnachweise erzwingen möchte. Für die Politik ist das auch gar kein großes Thema, weil nach landläufiger (falscher) Meinung jeder dolmetschen und übersetzen kann, der eine Fremdsprache beherrscht. Die Berufsverbände möchten zwar die Zulassung zum Beruf beschränken, wissen aber insgeheim sehr wohl, dass das ein zweischneidiges Schwert ist: Etliche ihrer Mitglieder besitzen ja die nötigen Fähigkeiten nicht, obwohl sie ein Zeugnis haben. Und auch die, die dolmetschen/übersetzen können, können das keineswegs auf allen Gebieten. Die Textsorten und die Fachbereiche bilden ein Feld, das sehr viel größer ist als z. B. das eines Uni-Absolventen irgendeines Fachs. Dieses Problem kann man sicher nicht durch Schaffen von 99 Spezialtiteln lösen. Man könnte höchstens ein Basisqualifikations-Diplom fordern. Aber könnte das verhindern, dass Ignoranten mit eben dieser Basisqualifikation sich an Dinge wagen, die sie nicht beherrschen? Wie sollte man das denn in einem globalen Markt durchsetzen? Was würde einer meiner Kunden in D tun, der meine Arbeitsqualität schätzt, mich aber offiziell nicht mehr beauftragen darf, weil ich keinen Übersetzertitel habe? Der würde sich dann eben an eine Briefkastenagentur auf den Kaimaninseln wenden, die ihm per E-Mail meine Arbeit vermittelt. Gut, bei Dolmetschern ginge das nicht so einfach, bei Übersetzern aber sehr wohl. | | |
Vielen Dank für Ihre Antwort. Ich sehe Ihre Argumente auch ein, aber: Was ich aber weiß, ist, dass auch der beste Dolmetscher wenig nützt, wenn die Ausländer, für die er dolmetscht, nicht genügend Grundwissen haben. Und von denen gibt es viele: Für die ist z. B. "Mietvertrag" einfach ein Zettel, und "Antrag auf Arbeitslosengeld" ist ein anderer Zettel. Beide Zettel gibt e ... See moreVielen Dank für Ihre Antwort. Ich sehe Ihre Argumente auch ein, aber: Was ich aber weiß, ist, dass auch der beste Dolmetscher wenig nützt, wenn die Ausländer, für die er dolmetscht, nicht genügend Grundwissen haben. Und von denen gibt es viele: Für die ist z. B. "Mietvertrag" einfach ein Zettel, und "Antrag auf Arbeitslosengeld" ist ein anderer Zettel. Beide Zettel gibt es in Büros, wo Leute an Computern sitzen, unsichtbare Arbeit machen und merkwürdige Wörter wie z. B. "Leistungssperre" sagen, die nicht im Wörterbuch stehen. Ein Dolmetscher ist aber kein Lebens- und erst recht kein Rechtsberater (als Letzteres darf er in D auch nur sehr begrenzt agieren. Wenn diese Arbeit nicht "Community Interpreter" übernehmen, machen es Familie, Freunde und Bekannte und dass ist genauso wenig eine Lösung, da diese Leute meist noch weniger Fachwissen mitbringen. Und irgendwie muss man diesen Leuten helfen, es bringt ja nichts, sie so lange alleine zu lassen, bis sie die Sprache können und wissen, was sie brauchen. Und da ich im Lager der Dolmetscher bin, bin ich natürlich dafür, dass uns diese Arbeit überlassen wird. ▲ Collapse | | |
xxLecraxx (X) Germany Local time: 01:07 French to German + ... Übersetzer ohne Prüfung | Dec 27, 2013 |
Rolf Keller wrote: Die Berufsverbände möchten zwar die Zulassung zum Beruf beschränken, wissen aber insgeheim sehr wohl, dass das ein zweischneidiges Schwert ist: Etliche ihrer Mitglieder besitzen ja die nötigen Fähigkeiten nicht, obwohl sie ein Zeugnis haben. Und auch die, die dolmetschen/übersetzen können, können das keineswegs auf allen Gebieten. Die Textsorten und die Fachbereiche bilden ein Feld, das sehr viel größer ist als z. B. das eines Uni-Absolventen irgendeines Fachs. Dieses Problem kann man sicher nicht durch Schaffen von 99 Spezialtiteln lösen. Man könnte höchstens ein Basisqualifikations-Diplom fordern. Aber könnte das verhindern, dass Ignoranten mit eben dieser Basisqualifikation sich an Dinge wagen, die sie nicht beherrschen? Richtig, das gilt aber für alle Abschlüsse und Berufe. Irgendwo muss man ja anfangen. Eine Ausbildung gibt neben Basiswissen aber auch die Chance, sich und seine Fähigkeiten besser einzuschätzen. Andererseits kann es nicht sein, dass ein Übersetzer mit 20+ Jahren Erfahrung seine Tätigkeit plötzlich nicht mehr ausüben darf, nur weil er keinen Abschluss darin hat. | |
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Standards sind wichtig. | Dec 27, 2013 |
Noch ein Gedanke: Die Berufsverbände möchten zwar die Zulassung zum Beruf beschränken, wissen aber insgeheim sehr wohl, dass das ein zweischneidiges Schwert ist: Etliche ihrer Mitglieder besitzen ja die nötigen Fähigkeiten nicht, obwohl sie ein Zeugnis haben. Und auch die, die dolmetschen/übersetzen können, können das keineswegs auf allen Gebieten. Die Textsorten und die ... See moreNoch ein Gedanke: Die Berufsverbände möchten zwar die Zulassung zum Beruf beschränken, wissen aber insgeheim sehr wohl, dass das ein zweischneidiges Schwert ist: Etliche ihrer Mitglieder besitzen ja die nötigen Fähigkeiten nicht, obwohl sie ein Zeugnis haben. Und auch die, die dolmetschen/übersetzen können, können das keineswegs auf allen Gebieten. Die Textsorten und die Fachbereiche bilden ein Feld, das sehr viel größer ist als z. B. das eines Uni-Absolventen irgendeines Fachs. Dieses Problem kann man sicher nicht durch Schaffen von 99 Spezialtiteln lösen. Man könnte höchstens ein Basisqualifikations-Diplom fordern. Aber könnte das verhindern, dass Ignoranten mit eben dieser Basisqualifikation sich an Dinge wagen, die sie nicht beherrschen? Das ist doch überall so... es gibt Leute, die ihre Arbeit gut machen, und solche, die es nicht tun. Mit oder ohne Abschluss. Es würde dennoch schon mal die Lage verbessern (denke ich). Das muss man nicht unbedingt an Abschlüssen festmachen, sondern auch an Erfahrung, aber ich denke es wäre gut, wenn Standards gesetzt werden würden. Immerhin, einem Laien würde auch niemand ein Skalpell in die Hand drücken und in eine Operation machen lassen, nur weil er mal ein Medizinbuch gelesen hat. Dann wären Studium und Ausbildung sinnlos. ▲ Collapse | | |
Es existieren schon eindeutige Standards und Richtlinien, ... | Dec 27, 2013 |
... sowohl für Dolmetscher als auch für (technische) Übersetzer: - DIN EN 15038 - Zulassungsbestimmungen für vereidigte Übersetzer - Produkthaftungsgesetz Es obliegt somit den einzelnen Parteien, diese Standards einzuhalten. Alles andere sollte der Markt bereinigen können, natürlich unter Berücksichtigung der allgemeinen Steuer- und Abgabenpflicht Übrigens schließt auch ein no... See more ... sowohl für Dolmetscher als auch für (technische) Übersetzer: - DIN EN 15038 - Zulassungsbestimmungen für vereidigte Übersetzer - Produkthaftungsgesetz Es obliegt somit den einzelnen Parteien, diese Standards einzuhalten. Alles andere sollte der Markt bereinigen können, natürlich unter Berücksichtigung der allgemeinen Steuer- und Abgabenpflicht Übrigens schließt auch ein noch so hochwertiger akademischer Abschluss nicht aus, dass es in der Berufspraxis zu Fehlern und Qualitätsproblemen kommt (z. B. Kunstfehler von Ärzten, Fehlurteile / Fehlberatungen von Juristen etc.). ▲ Collapse | | |
Stimmt genau | Dec 27, 2013 |
Intrprtintrain wrote: Immerhin, einem Laien würde auch niemand ein Skalpell in die Hand drücken und in eine Operation machen lassen, nur weil er mal ein Medizinbuch gelesen hat. Dann wären Studium und Ausbildung sinnlos. Und warum sollte man dann die Einbauanleitung für die Herzklappe/das künstliche Kniegelenk von jemand übersetzen lassen, der KEIN Medizinbuch gelesen hat aber alles über die Geschichte der "Translationswissenschaft" gelernt hat.
[Edited at 2013-12-27 18:16 GMT] | | |
Rolf Keller Germany Local time: 01:07 English to German Methode B ist nicht deswegen besser, weil Methode A nicht funktioniert | Dec 28, 2013 |
Intrprtintrain wrote: Und irgendwie muss man diesen Leuten helfen, es bringt ja nichts, sie so lange alleine zu lassen, bis sie die Sprache können und wissen, was sie brauchen. Niemand widerspricht. Aber dann sollte es wirklich Hilfe sein und nicht nur Alibi-Hilfe, die sich auf dem Papier gut macht. Und da ich im Lager der Dolmetscher bin, bin ich natürlich dafür, dass uns diese Arbeit überlassen wird. Diese Logik erschließt sich mir nicht. Es muss jemand machen, der es effizient tun kann und rechtlich (Beratung!) tun darf. Wenn es so jemanden noch nicht gibt, dann muss man dafür sorgen, dass es ihn gibt. Alles andere führt nicht wirklich weiter. | | |